„Digitales Kulturerbe: Kuratieren – Teilen – Nutzen – Sichern“ am 6. Dezember am Zuse-Institut Berlin (ZIB)

alle Fotos: CC BY 4.0 Zuse Institute Berlin – digiS. digiS-Jahreskonferenz 2018

So voll war es noch nie bei einer digiS-Jahreskonferenz, die am 6. Dezember 2018 nun bereits zum sechsten Mal durchgeführt wurde! Trotz Erkältungswelle fanden gut 170 Gäste zu uns nach Dahlem an das Zuse-Institut (ZIB), unter ihnen Kultursenator Dr. Klaus Lederer sowie Prof. Dr. Martin Grötschel, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und ehemaliger Präsident des ZIB. Dem großen und gleichzeitigen Andrang geschuldet, startete das Programm leicht verspätet, dafür nach einer kurzen Begrüßung durch Beate Rusch (stellv. Leitung von digiS) direkt mit einem Grußwort des Kultursenators, der auf die drei großen Neuerungen bei digiS einging: den Namenswechsel mit der Verstetigung zum Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS), die Erhöhung der Gesamtfördersumme für Projekte auf €600.000 und die Unterstützung des von digiS mitinitiierten Kultur-Hackathons Coding da Vinci durch die Kulturstiftung des Bundes.

In seiner Impulsrede ging Prof. Dr. Thorsten Koch (Leitung digiS) auf das Thema der Teilhabe ein. Informationen wurden immer schon (mit-)geteilt. Sharing im Digitalen bedeutet Wissen zu teilen, ohne etwas zu verlieren. Die Erfolgsgeschichte der menschlichen Kultur oder Wissenschaft funktioniert durch TEILEN und TEILHABE. Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung Berlin, griff in seinem Vortrag das Dauerthema OpenData auf, eine wichtige Voraussetzung für TEILEN und TEILHABE, und stellte die Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS) vor. Daten müssen als Information auch nachnutzbar gemacht werden. Hier finden Sie die beiden Vorträge von Thorsten Koch (CC-BY-SA) und Nicolas Zimmer (CC-BY-SA).

     


Nach einem gut gelaunten Rückblick auf das bewegte Verstetigungsjahr von digiS durch Beate Rusch und Marco Klindt folgte gewohnt dynamisch die Aufstellung der diesjährigen Projektpartner aus dem digiS-Förderprogramm zur Minute Madness.

    

Diese stellten sich bravourös der Aufgabe, ihre Projekte in jeweils nur 60 Sekunden vorzustellen – als Höhepunkt präsentierte Sebastian Ruff vom Berliner Stadtmuseum gleich drei Projekte in nur einer Minute! In jedem Fall gewann das Publikum so einen schnellen und guten Überblick über das Förderprogramm 2018.


Franziska Mucha, derzeit Marie-Curie-Stipendiatin an der Universität Glasgow, forscht zu Crowd- und Community-Sourcing im Museum. Bis Oktober 2018 arbeitete sie als Kuratorin für digitale Museumspraxis im Historischen Museum Frankfurt. In ihrer KeynoteMuseen und die Kultur der Digitalität(verfügbar als CC BY 4.0) sprach sie über Digitalisierung im Museum, die mehr bedeutet als die bloße Anfertigung von Objektdigitalisaten: Denn digitale Werkzeuge verändern das Verhältnis der Institution zu ihren BenutzerInnen. Sie vereinfachen die Interaktion mit unterschiedlichen Benutzergruppen und ermöglichen nicht nur Zugang zu Inhalten, sondern auch Kooperation, Wissensaustausch und aktive Mitgestaltung. Die digitale Museumspraxis beschäftigt sich damit, wie digitale und analoge Modi im Museum so verschränkt werden können, dass ein produktiver Austausch entsteht. Unter diesen Fragestellungen beleuchtete Franziska Mucha drei ganz unterschiedliche Projekte aus ihrer Frankfurter Zeit – das „Stadtlabor Digital“, den „Coding da Vinci Kultur-Hackathon“ und die „Brainstorming Bar“.


Da auf den digiS-Konferenzen nicht nur inhaltlicher Input gegeben, sondern auch genetzwerkt und diskutiert werden soll, waren bereits in den vergangenen Jahren verschiedene interaktive Formate wichtige Programmbestandteile. In diesem Jahr fanden vier parallele Podiumsdiskussionen zu den Themen der Konferenz: Kuratieren, Teilen, Nutzen und Sichern statt. Moderiert wurden diese von digiS-MitarbeiterInnen, als ExpertInnen waren pro Session KollegInnen aus dem digiS-Netzwerk dabei.

        

Wo liegen die Herausforderungen in der Arbeit mit Metadaten zum kulturellen Erbe, die in unterschiedlichen digitalen Kontexten die Auffindbarkeit der bereitgestellten Informationen ermöglichen sollen? Und was hat es eigentlich mit der Öffnung der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) auf sich? Herdis Kley von der Fachstelle Museum der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) eröffnete mit ihrem Input-Beitrag „Mit Standards in die DDB“ die Session Kuratieren – Auffindbarkeit. Eine konsequente Verwendung und Auswertung kontrollierter Vokabulare ist natürlich nur möglich, wenn diese entsprechend vielfältig offen zur Verfügung stehen und bestenfalls aufeinander Bezug nehmen. Diesen Prozess kann das Projekt GND4C vorantreiben, das Barbara Fischer in ihrem Input-Beitrag vorstellte. Die Präsentation von Barbara Fischer mit weiteren Details zu Motivation, Zielen, Partnern und Fallbeispielen sowie einem groben Zeitplan für die kommenden Jahre finden Sie hier. Im Rahmen der Session stellte sich die Frage, wie mit hauseigenen Vokabularen, die die GND sinnvoll ergänzen könnten, umzugehen ist. Erste Schritte des Mappings eigener Vokabulare auf die GND können u.a. im Projekt Coli Conc mit dem Cocoda Mapping-Tool erprobt werden. Diskutiert wurde zudem, ob und inwieweit die Etablierung von LIDO als Metadaten-Austauschschema in den Museen weiter vorangetrieben werden sollte. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Bereitstellung von Daten als LIDO-Export für viele Häuser nachwievor einen Kraftakt darstellt. Neben seiner Funktion als Übersetzungsbrücke zwischen einzelnen Kulturerbeinstitutionen und Portalen unterschiedlicher Art, bietet jedoch gerade die Granularität von LIDO auch die Möglichkeit strukturierend in die Datenlandschaft der datengebenden Einrichtung hinein zu wirken. Trotz aller Struktur und Standardisierung schleichen sich natürlich Fehler oder Unklarheiten in die Daten ein, die selbst nach einer gründlichen Arbeit mit Bereinigungswerkzeugen wie OpenRefine beim Datengeber unentdeckt bleiben. Und – so wurde am Ende deutlich – das ist auch gar nicht schlimm! Ist die Community doch eine aktive, die Hinweise an die Datengeber zurückspielt. So ist es durchaus möglich, erst durch die Veröffentlichung der Daten weitere Infos zu den sie beschreibenden Objekten zu erhalten.

Der Aspekt des Teilens ist als gesellschaftlicher Auftrag im Sinne von Bildung und Vermittlung aus der Kulturarbeit nicht wegzudenken. Aber wie sieht es mit dem Teilen von Wissen und Erfahrungen oder dem gemeinsamen Nutzen von Ressourcen aus? Wie können Kooperationen verschiedenster Art zur digitalen Entwicklung des Kultursektors beitragen? Im Gespräch mit den Expertinnen Katrin Glinka (Stiftung Preußischer Kulturbesitz/ museum4punkt0), Bettina Gries (Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin) und Annette Kleffel (Technologiestiftung Berlin/ kulturBdigital) und einem großen Kreis diskussionsfreudiger TeilnehmerInnen wurden hierzu unterschiedliche Perspektiven aufgezeigt. Bei einer kurzen Bestandsaufnahme zum derzeitigen digitalen Entwicklungsstand in der deutschen – und speziell Berliner – Kulturlandschaft wurde von allen Seiten ein sehr heterogenes Bild gezeichnet. Insbesondere die beiden – sowohl inhaltlich als auch geografisch unterschiedlich orientierten – Projekte museum4punkt0 und kulturBdigital stoßen hier gleichermaßen auf digitale Einsteiger wie auf Einrichtungen, die im Digitalen bereits gut aufgestellt sind. Attestiert wurde allen jedoch der grundsätzliche Wille zu einer digitalen Neuaufstellung sowie Leidenschaft für die jeweils individuellen Themen und deren Vermittlung. Um die digitale Entwicklung von Kultureinrichtungen voranzutreiben wurde sowohl von den Expertinnen als auch von TeilnehmerInnen aus dem Publikum eine – noch – bessere Vernetzung als notwendig erachtet, wie sie in Anfängen bereits zu spüren ist – z.B. im Berliner Roundtable Strategie. Hier zeigt sich – laut Mitinitiatorin Bettina Gries – der Wille, von den Erfahrungen der Community gegenseitig zu profitieren und gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Aber auch hinsichtlich Themen der digitalen Infrastruktur wird geteilt, wie die bisher sehr positive Bilanz des Projektes kulturBdigital zeigt. So könnte die Aussage einer Teilnehmerin das möglicherweise wichtigste Diskussionsergebnis wie folgt zusammenfassen: Die Kulturlandschaft muss ihre Kräfte bündeln um gemeinsam aussichtsreicher für mehr Verstetigung von (digitalen Entwicklungs-)Projekten zu kämpfen.

In der Themen-Session Nutzen – Openess – wurde über Haltungen und Motivation(en) gesprochen. Wie kann man (in oder mit) der eigenen Institution für Openess tätig werden? Was kann man lernen aus den Bereichen Wissenschaft und Verwaltung? Welche Kooperationen sollte man suchen? Dabei ging es vor allem darum, wie die Daten, die theoretisch geöffnet werden könnten, auch praktisch geöffnet werden. Zu Beginn wurden von den Teilnehmenden verschiedene Punkte genannt, die der Öffnung von (Kultur-)Daten nach wie vor im Weg stehen. Zum einen wird die Mündigkeit der Nutzenden oft nicht anerkannt, zum anderen stehen dem gegenüber die Angst vor der Nutzung der Daten im falschen Kontext (politisch) und der oft befürchtete Missbrauch von Bildern. All diese Befürchtungen verhindern offene Daten und erfordern deshalb die Schaffung entsprechender Infrastrukturen, die Nutzung der Expertise anderer Einrichtungen und den Austausch dieser untereinander, um Unsicherheiten zum Umgang mit offenen Daten abzubauen. Kultureinrichtungen können zum Beispiel von Bibliotheken lernen, da diese oft schon Erfahrungen mit der Veröffentlichung und Nutzung von Daten haben. Alle Teilnehmenden der Session fordern daher den Aufbau von Umsetzungskompetenz zum Öffnen und Bereitstellen von (Kultur-)Daten. Als ExpertInnen standen Joachim Dinter (FH Potsdam Verlag/ Open-Access-Projektgruppe Brandenburg) sowie Viktoria Dykes und Benjamin Seibel (Technologiestiftung Berlin/ Open Data Informationsstelle Berlin/ Ideation & Prototyping Lab) zur Verfügung.

In der Themen-Session Sichern ging es vor allem um Haltungen und Motivation(en). Wie kann man (in oder mit) der eigenen Institution für Openess tätig werden? Was kann man lernen aus den Bereichen Wissenschaft und Verwaltung? Welche Kooperationen sollte man suchen? Als Experten saßen Prof. Dr. Andreas Degkwitz (HU Berlin, Universitätsbibliothek) sowie Marco Klindt (digiS) auf dem Podium. Eingeleitet durch die Frage, ob nationale ((Forschungs-)Daten-)Infrastrukturen auch kleineren Einrichtungen aus dem kulturellen Bereich unterstützen könnten, wurde schnell deutlich, dass Infrastruktur weit mehr beinhaltet als technische Dienstleistungen. Infrastrukturen sollten in Communities eingebettet sein, die es ermöglichen auf gleicher Augenhöhe Bedarfe zu formulieren und im besten Fall gemeinsam zu lösen. Mentoring-Programme oder (Forschungs-)Partnerschaften von forschungsnahen und -fernen Beteiligten können helfen, das Verständnis über und das Vertrauen in solche Initiativen zu stärken. Gerade kleine Akteure müssen durch niedrigschwellige Schnittstellen und umfassende Weiterbildungsangebote in die Lage versetzt werden, angebotene Infrastrukturen für sich zu nutzen. Dies gilt nicht nur für den Kulturerbebereich sondern gerade auch für (universitäre) Forschung. Daten sind letztlich Daten, ob Kulturerbe- oder Forschungsdaten.


Nach der wohlverdienten Mittagspause und gestärkt ging es gleich kommunikativ weiter mit der Postersession der diesjährigen Förderprojekte. Nach dem Input aus der Minute Madness vom Vormittag bot sich hier einerseits die Gelegenheit für die Projekte sich ausführlicher und anschaulicher zu präsentieren, andererseits für die Konferenzteilnehmer, sich einen klareren Eindruck von den einzelnen Projekten sowie über die Möglichkeiten zu verschaffen, die das digiS-Förderprogramm Berliner Kultureinrichtungen bietet.

        


Highlight des Nachmittags war die Keynote von Heiko Daniels, Leiter Digitale Strategie/Neue Medien an der Kunsthalle Mannheim, der mit „Digitale Träume, digitale Räume“ einen ausführlichen und beeindruckenden Werkstatt- und Ergebnisbericht über die Entwicklung, Umsetzung und Bereitstellung der digitalen Angebote in der neu eröffneten Kunsthalle Mannheim präsentierte: Vortragsfolien CC BY NC ND Kunsthalle Mannheim 2018/ Heiko Daniels


Die diesjährige digiS-Jahreskonferenz endete mit einer Kurzauswertung der vier Diskussionsrunden

sowie einem gemeinsamen Ausklang im Foyer des Zuse-Instituts. Für das digiS-Team und sicher alle Teilnehmenden war die diesjährige Konferenz eine besonders kommunikative und erfolgreiche Veranstaltung – wir danken allen, die dazu beigetragen haben: dem Zuse-Institut, der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, den Partnern aus dem Förderprogramm, den ExpertInnen der Podiumsdiskussionen sowie vor allem der Berliner und mittlerweile auch überregionalen Community, die sich mit so viel Engagement für die digitale Entwicklung der Kultur auf allen Ebenen einsetzt!