Zugang gestalten! 2025 in der Deutschen Nationalbibliothek (Leipzig) hatte dieses Jahr den Schwerpunkt „Künstliche Intelligenz“. Diskutiert wurde, wie sich durch die neue(n) Technologie(n) der ethische, künstlerische und datenbezogene Zugang zum kulturellen Erbe, aber auch das kulturelle Erbe selbst, verändert.
„Fürchtet euch nicht!“, so die einleitenden Worte des Konferenzveranstalters Prof. Dr. Paul Klimpel (iRights). Was blasphemisch anmuten mag, ist doch ein wichtiges und richtiges Eröffnungsstatement. Die Diskussionen um „Künstliche Intelligenz“ im Kulturerbe-Bereich sind nämlich häufig von Sorgen geprägt. Auf der Konferenz wurde das Thema jedoch weniger unter dem Aspekt der Sorge, sondern aus sehr unterschiedlichen und immer lösungsorientierten Perspektiven diskutiert. Prämisse ist, dass die Bedeutung der Kulturerbe-Einrichtungen als vertrauenswürdige und für Authentizität bürgende Institutionen – besonders angesichts von KI und in Zeiten fortschreitender Synthetizität – zunimmt.
Unsere Kollegin Xenia Kitaeva war vor Ort und hat ihre inspirierten Takeaways von mehreren Seiten auf folgende Stichpunkte reduziert:
Kultur, Recht und Gesellschaft
- Für Dr. Johannes Bernhardt ist KI eine „neue Partei“, eine neue Stakeholderin im Konstrukt Kulturerbe →
Team → Rezipierende - Dr. Till Kreutzer plädierte für mehr Open Access und weniger Urheberrecht(sdiskussionen und -komplikationen). KI sollte nicht verboten, sondern vernünftig besteuert werden.
- Laut Prof. Dr. Dr. h.c. Sybille Krämer ist KI eine Kulturtechnik des artifiziell Flächigen und Digitalität ein Medium (2D) zwischen Raum (3D) und Zeit (1D).
KI und Kunst
- Laut Dr. Anett Holzheid und Tristan Schulze verändert KI als neues Werkzeug den künstlerischen Prozess.
- Für Dr. Viktoria Kraetzig ist „KI-Kunst“ juristisch betrachtet aktuell keine Urheberrechtsverletzung, da es u.A. mit einem internen Lernprozess verglichen werden kann.
- AC Coppens zeichnete am Beispiel der Filmbranche den allgemeinen Medienwandel hin zu „Liquid Media“ nach, d.h. auf zunehmend hyperdynamische und -personalisierte Medien durch KI.
Ethik der Künstlichen Intelligenz und Beispiele aus der Praxis
- Jeannine Hausmann stellte die UNESCO-Empfehlung zu KI vor: Ethik muss gesamtgesellschaftlich und in allen Zyklen der KI, d.h. von der Entwicklung bis zur Ausführung mitgedacht werden.
- Laut Dr. Franziska Klemstein kann KI zum Schutz von Welterbestätten eingesetzt werden, indem mithilfe von bspw. Entscheidungsbäumen vorausschauend statt reaktiv gearbeitet wird.
- Angela Huang stellte mit dem Projekt „Hanse. Quellen. Lesen!“ eine produktive Nutzung von KI vor: Die Erschließung von handschriftlichen Aufzeichnungen mit OCR (und Citizen Science).
- Carrie Lau zeigte Erkenntnisse aus Experimenten mit OpenAI-Schnittstellen für personalisierte VR-Erlebnisse vor: Mittelmäßig individualisierte Personalisierungen funktionieren am besten.
Zwischen Allmende und Algorithmus: Das digitale Kulturerbe in Zeiten Künstlicher Intelligenz
- Für Heike E. Gleibs repräsentieren Daten das digitale Grundwasser.
- Wissensgraphen sind laut Lukas Fuchsgruber ein sinnvolles Werkzeug für die automatisierte Arbeit mit KI.
- Philippe Saadé stellte die Wikidata Knowledge Graphs vor. Diese helfen dabei, Mis- und Desinformation zu reduzieren, Daten aktuell zu halten und die Sichtbarkeit von unterrepräsentiertem Wissen zu verbessern.
- Matthias Razum diskutierte die Frage „Degeneriert digitales Kulturgut zur kontextfreien ‚Datenmasse‘?“
Authentizität, Manipulation und die Rolle der Kulturerbe-Einrichtungen
- Für Prof. Dr. Michael Hollmann muss das Archiv der Zukunft von der Information her gedacht werden, nicht von der Materialität.
- Lambert Heller warnte, dass unsere Daten und damit unsere Geschichte bedroht sind. Dagegen helfen gemeinschaftliche dezentrale Netze und Strukturen (FOSS & FAIR).
- Laut Prof. Dr. Dr. h.c. Aleida Assmann ist historisches Bewusstsein spezifisch für die westliche Moderne und eine „Erfindung der Geisteswissenschaften“. Besonders gefährlich wird die Manipulation von einem zentralisierten Zugriff auf das kulturelle Erbe in den Händen von Autokrat:innen.
Alles, was in dieser Zusammenschrift vergessen wurde, kann im Mitschnitt des Livestreams nachgeschaut werden. Die Speaker:innen und das Programm können hier nachgelesen werden.
Wir danken Prof. Dr. Klimpel, Anna Heizmann und dem Zugang gestalten! Team wieder einmal für den gelungenen, spannenden Austausch!
Die nächste Zugang gestalten!-Konferenz findet im Herbst 2026 in Berlin statt und befasst sich mit dem Thema „Geschichtspolitik und Erinnerung“. Aktuellste Informationen gibt es auf der Zugang gestalten! Webseite und natürlich informieren wir als Partnerin auch rechtzeitig zur Konferenz.
